Nachhaltige Sommerpause: Zu Fuss durch die Pyrenäen - 2023
Vom Atlantik zum Mittelmeer - 930 Kilometer und über 50.000 Höhenmeter in 45 Tagen - mit Zelt und Rucksack in den Pyrenäen auf dem GR 10
Was du mitnimmst: Wertvolle Erfahrungen für Projektmanagement - nachhaltige Entwicklung – Begegnungen mit Menschen am Wegesrand.
Einleitung: Unser Vorhaben
Mein Mann und ich teilen eine Leidenschaft. Wandern, gern auch mehrere Tage. Für mich ist es die beste Möglichkeit, abzuschalten und mich zu erholen.
Allerdings gibt es auch größere Projekte, die sich deutlich von einem gemütlichen Wanderurlaub unterscheiden. In diesem Jahr stand eine Durchquerung der Pyrenäen an. Obwohl wir beide bereits längere Outdoor-Projekte unternommen hatten, war diese Tour auch für uns eine Herausforderung in mehrerlei Hinsicht.
Projektmanagement - Das Ziel ist das Ziel!
Unser Projekt bietet eine besondere Erfahrung, denn es verlangt von uns sowohl körperlich als auch mental alles ab. Eine gute Projektplanung und Projektvorbereitung sind entscheidend für den Erfolg. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung müssen jedem Teammitglied klar sein.
Ressourcen-Management, Out of the Box Thinking, strategische und operative Planung, Konflikte bewältigen, Teamgeist entwickeln, Flexibilität und Durchhaltevermögen.
Wenn ich an all die Teambuilding Sessions, die ich bisher erlebt habe, erinnere, denke ich inzwischen, es wäre einfacher ein Team, sofern es wanderfreudig ist, einmal für 10 Tage in den Pyrenäen auszusetzen und sie loszuschicken mit der Maßgabe, gemeinsam am Punkt B anzukommen. Und natürlich kann man Teamkollegen integrieren, die aus verschiedenen Gründen nicht so ‚fussläufig‘ sind. Teams brauchen Zeit, um zusammen zu wachsen, und ja, Konflikte, Frustration, Reibung gehören dazu. Lernen, dass man bei Problemen nicht aufgibt oder davonläuft, sondern nach Lösungen sucht. Es gilt vor allem, auf Schwächere Rücksicht zu nehmen.

Risk and Opportunities sind zu beachten; das richtige Mindset braucht es, um Ungewissheit auszuhalten und den sich täglich wechselnden Anforderungen zu begegnen. Warum? Bei einem Outdoor-Projekt dieser Länge sind Etappenziele nicht immer planbar. Zwischenziele müssen angepasst werden, Die Anzahl der täglich zurückgelegten Kilometer wird auch von der Wegqualität, den Höhenmetern und der Steilheit beeinflusst. Es gibt weitere Einflussfaktoren, z. B. körperliche Unversehrtheit, eine positive und proaktive Haltung, Rahmenbedingungen oder Ressourcen wie Wetter, Wasserversorgung und Lebensmittel, Mitwelt....
sowie eine qualitativ hochwertige Ausrüstung. Unser Vaude-Zelt hielt Gewitterböen statt, der Schlafsack von Mountain Equipment wärmte, als die Temperaturen auch unter Null Grad fielen, die Iso-Matte von Exped ist für eine gute Erholung wichtig, Kleidung für heiße und kalte Tage – wir befanden uns auch an der Frostgrenze - muss leicht sein. Unabdingbar sind Kartenmaterial, Kompass, Höhenmesser. Es gibt nirgendwo eine Bushaltestelle oder ein Taxi, es gibt nur "weiter" nach Pausen. Tagelang sind wir ohne Netz, irgendwo in den Bergen.

Nachhaltige Erfahrungen -
Ferien bzw. Auszeiten sollten meiner Meinung immer nachhaltig sein. Nachhaltig im Sinne einer eindrücklichen Erfahrung und Erholung. Sie können aber Impulse geben im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Von Offenburg (Deutschland) reisen wir mit dem TGV über Paris nach Hendaye (Atlantik) und kehren 47 Tage später mit dem Zug von Banyuls-sur-mer zurück.
Bei Outdoor-Aktivitäten ist man im wahrsten Sinne des Wortes „AUSGESETZT“. Viele können sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man mehrere Tage ohne eine zivilisatorische Infrastruktur auskommt. Dabei lernt man viel, über sich selbst, über andere, dann lernt man im Umgang mit der Natur.
Täglich galt es schwierige Passagen zu meistern, die keinen Fehltritt erlaubten; glitschige, schlammige Wege, im wahrsten Sinne des Wortes durch die (Kuh-)Scheisse laufen, das Balancieren auf Geröllhalden und vieles mehr. Nicht nur für ein, zwei Stunden, für Tage… Jeder Tag hat eine neue Herausforderung für dich. In der Stille flattern unsere Gedanken anfangs wie Gebetsfahnen im Wind, bis sich vieles verflüchtigt und beruhigt. Der sonstige Alltagskram verblasst, während wir bergauf und bergab wandern. Manchmal bleibt nur der Fokus auf den nächsten Schritt, ganz im Hier und Jetzt in der offenen, weiten Landschaft der Pyrenäen. Man braucht kein Kloster, um bei sich anzukommen, man ist schon bei sich.‘
Viele der Dörfer, die wir streifen, sind von Landflucht geprägt, manche wirken wie ausgestorben. Die Alten bleiben, die Jungen gehen oder kommen für die Sommermonate zurück. Der Tourismus dient als Einnahmequelle. Wir als Wanderer oder auch Camper beleben die Sommermonate. Dennoch, manchmal ist es gar schwierig, Nahrung für die nächsten Tage einzukaufen. Doch die Einheimischen helfen, irgendwo in einer Hütte ist eine „Epicerie“ eingerichtet, man nimmt, was man braucht und zahlt. Andernorts ist ein Brunnen im Dorf nicht funktionsfähig, im Bürgermeisteramt erhalten wir eine Flasche Wasser, um die nächsten Wanderstunden zu überstehen.
Flora und Fauna bilden eine Einheit und nehmen uns mit in ihre Welt. Manche Patous, sogenannte Hütehunde für Schafherden, bellen uns an und versperren gar auch den Weg. Ihre Botschaft ist deutlich:
You are just a guest passing through.
Leave nothing behind (Zero waste)

Wir erleben extreme Schwüle, stürmische Winden, Gewitter, Dauerregen, Kälte, Nässe, leichten Frost und müssen zuletzt mit schier unerträglicher Hitze umgehen. Viele Bäche oder Quellen sind inzwischen versiegt. Dabei ist mir klargeworden: die Natur passt sich all dem viel leichter an. Wenn es irgendwo gebrannt hat, krabbeln bald wieder Ameisen herum und folgen ihren Plänen.
Aber was ist mit den Bedingungen für uns Menschen?, frage ich mich während unserer Tour. M. E. sollten wir weniger davon sprechen, dass wir die Erde retten müssen. Die kommt auch ohne uns klar. Das hat sie schon Millionen Jahre vor unserer Existenz bewiesen. Wir sollten uns darum kümmern, die Bedingungen für unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und unsere Mitmenschen zu einem respektvollen Umgang mit der Erde und ihren Ressourcen motivieren. (Nature-based Solutions, Decarbonisierung, Suffizienz, Effizienz, Zero Waste, soziales Engagement und eine Kostenkontrolle)
Und über alles hinaus, gab es noch knapp vor Ende eine Hürde zu überwinden: Drei Tage vor Schluss wurde uns und anderen Wanderern in Las Illas der Weiterweg auf dem GR10 für die letzten zwei Etappen wegen Waldbrandgefahr untersagt. Es war unklar, wie lange die Sperrung dauert würde. Daher wichen wir nach Norden und steuerten Argelès-sur-Mer an.
Auch hier waren die Zugangsstraßen bis Mittag gesperrt. Wir überlegten bereits, ob wir weiter nach Norden ausweichen müssen.
Dann war offen und wir marschierten teilweise durch Staub- und Rauchwolken, links und rechts der Straßen verbrannte Felder, Bäume, Apfelplantagen, Felder mit Rebstöcken….
Überall Feuerwehr, Polizei, ein Hubschrauber mit Löschwasser über uns. Einmal verwies und eine Polizistin an einer Strassensperre an, einen anderen Weg zu nehmen. Immer noch gab es die Gefahr von Brandherden. Nach tagelang Durchquerung durch eine staubtrockene Landschaft, ist uns bewusst, wie schnell sich ein Feuer ausbreiten kann. Campingplätze waren evakuiert worden, die Behörden handelten verantwortungsbewusst. Die Feuerwehrleute handeln schnell und mit Umsicht. Doch wie geht es für die Menschen weiter, die von der Landwirtschaft hier leben, fragte ich mich fassungslos.
An diesem letzten Tag erreichten wir nach 37 km Fussmarsch erschöpft, aber erleichtert das Mittelmeer. Anschliessend sind wir weiter nach Banyuls-sur-Mer und beendeten offiziell unser Wanderprojekt.

Menschen – respektiere Unterschiede
Die Begegnung mit anderen Wanderern (frz.: Randonneurs) aus der ganzen Welt ist inspirierend und motivierend. Die einen gehen schneller, die anderen langsamer. Immer wieder trifft man sich bei einem Etappenziel. Ob jung, älter, ganz egal, die Wertschätzung füreinander ist da. Man hilft sich, tauscht sich aus, nach überstandener Strapaze prostet sich man sich zu und lacht sich an... Freundschaften entstehen am Wegesrand.
Manchmal gelangt man auf der Wanderung an ein Refuge, das ein Knotenpunkt für Touristen ist, Tageswanderer und so weiter. Und angesichts der Menge der Menschen, dem unglaublichen quirligen Treiben der Menschen, sehnt sich derjenige, der lange in der Natur allein war, nach Ruhe und Abstand von hektischer Betriebsamkeit.
„Lerne von der Geschwindigkeit der Natur: ihr Geheimnis ist Geduld.“ Ralph Emerson Waldo.
Einer meiner Freunde fragte vor unserer Reise: Warum macht Ihr das?
Unter den Wanderern, welche die Pyrenäen durchqueren, sind wohl 3 Typen auszumachen: Leistungswanderer, die so schnell wie möglich an ihr Ziel kommen wollen, Genusswanderer mit mehr Zeit losgehen und Besinnungswanderer, die laufen, weil eine Phase in ihrem Leben geendet hat und eine neue Richtung ansteht. Viele junge Leute erzählten mir, dass sie der Job nicht mehr ausfüllt, sie suchen etwas Neues, im Grunde beschäftigen viele drei Fragen (vgl. Jorge Bucay):
Wer bin ich? - Wohin gehe ich? - Und mit wem?
Diese intensive Zeit in einer unglaublich beeindruckenden Landschaft wirkt in uns nach.
Ich glaube, jeder von uns Wanderern nimmt davon etwas auf seinem Weg ins weitere Leben mit. Auf jeder meiner bisherigen langen Wanderungen (East Coast Trail, Genfer See zum Mittelmeer (GR 5), lernte ich etwas für mein Leben. Auf der Pyrenäendurchquerung ist es das:
Unfollow!
Bleib bei Dir!
Geh Deinen eigenen Weg!
Nimm mit, was Du brauchst!
Wenn es darauf ankommt, merkst du: Du braucht nicht mehr als das, was in einen Rucksack passt.
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Bei Interesse mehr von dieser Reise bzw. darüber zu hören, was man alles in sein Berufs- und Privatleben mitnehmen kann, einfach melden!

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