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Nachhaltig bewusstes Handeln im Büroalltag - SHADOW

In den sozialen Medien, in denen ich mich bewege, gibt es eine Community, die sich viele Gedanken über mehr Nachhaltigkeit macht und in allen Lebensbereichen aktiv zur nachhaltigen Entwicklung beitragen will.

Auf der anderen Seite erfahre ich in Gesprächen in meinem Umfeld, dass viele Menschen immer noch nicht so genau wissen, worum es bei dem Thema samt Agenda 2030 geht und ausserdem oft die Nachhaltigkeit auf den Klimaschutz reduzieren. Das stelle ich auch in meinem Berufsleben fest, obwohl viele Unternehmen über ihre Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung in ihrem Jahresreport berichten. Aber auch hier liegt der Fokus auf den direkten Leistungen. Mir fällt auf, dass bestimmte Bereiche ausgespart werden, so zum Beispiel die Geschäftsreisen, die Arbeitsplätze im Büro oder das Home-Office.

Als Ulrich Holzbaur und ich 2020/2021 den Quick Guide Nachhaltige Business-Meetings und -Events | Springer schrieben, diskutierten wir mehrfach die Wertschöpfungskette von Meetings und Events. Wir haben an verschiedenen Beispielen berechnen können, dass sich mit einer guten Planung mehrere Tonnen CO2-Emissionen verringern lassen. Dabei fiel mir auf, dass die Administration von Veranstaltungen  und die Arbeit im Büro meist übersehen wird. Wenn immer wieder gefordert wird, in allen möglichen Bereichen sich für Nachhaltige Entwicklung einzusetzen, darf auch das „Daily Office“ nicht ausgespart werden. Das betrifft Green IT, Lean Administration und so weiter.

Das hier dringend gehandelt werden muss, zeigen die folgenden Beispiele, aus einer Kurzanalyse im Winter 2020/2021, welche beliebig ergänzt werden könnten:

  • Da befinden sich in Büros hunderte von Monitoren über Monate im Standby-Modus, während ihre Nutzer von Zuhause arbeiten.
  • Mit der Wiederkehr ins Office wird Wasser in Plastikflaschen angeboten, und das in einer Region, wie zum Beispiel in der Schweiz, in der das Leitungswasser höchste Qualität besitzt.
  • Sandwich-Lunchs werden offensichtlich ohne nachhaltige Kriterien ausgewählt, Shrimps und Kokosnüsse gibt es bekanntlich nicht am Zürichsee oder Bodensee.
  • Die Essensmengen werden mehr als großzügig kalkuliert – weit entfernt von Zero Waste, dabei genügte nur eine E-Mail, um nachzufragen, wer nun definitiv kommt.
  • Ein Salat darf es ein, auch in Plastikschüsseln, ansonsten engagieren wir uns für eine plastikfreie Welt.
  • Beharrlich halten wir an E-Mails mit grossen Anhängen fest, nach dem Motto «So haben wir schon immer gearbeitet», obwohl es chatbasierte Cloudlösungen gibt, womit sich beachtliche Mengen an CO2-Emissionen reduzieren ließen; Datenmüll in der Inbox und im Papierkorb könnte man vermeiden, damit der Mensch, der das Notebook bedient, nicht die Zeit verliert, die Bits and Bytes weg zu sortieren.
  • Meetings werden an Standorten organisiert, ohne den besten «geo-midpoint» auszusuchen, um die Reisezeit für Mitarbeitende, Kosten für Flugkilometer und CO2-Emissionen zu reduzieren.
  • Reiserichtlinien pflegen lediglich die ökonomische Dimension zu berücksichtigen, die ökologische und soziale Dimension jedoch zu vernachlässigen. Triple-Bottom-Line Fehlanzeige.
  • Geräte, die evtl. noch ein oder zwei Jahre hätten genutzt werden können, wurden verschrottet. Neuer Mitarbeite: Neue Geräte? Na klar!
  • Da werden die Teilnehmer einer Schulung über die Schulungstermine per E-Mail oder Info-Board informiert, welche sie dann händisch in ihren eigenen Kalender eintragen müssen. Dabei hätte eine Einladung an alle mit den verschiedenen ics-Einträgen viel Arbeit erspart. Stichwort: Lean Administration, Effizienz und Kunden- und Kollegenorientierung.
  • Guidelines, wie Office-Worker im Home-Office ressourcenschonend arbeiten (z.B. Steckerleisten zur Unterbrechung der Stromfuhr etc.) existieren nicht.

Während man sich in vielen Unternehmen um die Clean Desk Policies, also den sauberen Schreibtisch, kümmert, wird man bislang vergebens nach einer Sustainable Office Work Policy suchen. Es scheint, als hätten wir einen blinden Fleck (vgl. auch Johari-Window) in Bezug auf unsere eigene Arbeit und der Zusammenarbeit mit anderen, das gilt auch insbesondere auch bei der Verwendung neuer Tools, um Ressourcen zu sparen. Dabei bewegen wir uns an der «Triple Bottom Line», um es in Bezug zur Nachhaltigkeit und ihren drei Dimensionen Soziales, Ökonomie, Ökologie, zu bringen (mehr dazu bei Prof. Ulrich Holzbaur in Nachhaltige Entwicklung | SpringerLink).

Der blinde Fleck der Nachhaltigen Aufmerksamkeit (Sustainable Heedfulness) in der täglichen Büroarbeit (Daily Office Work)

Mir kommt es so vor, als blickten wir Büroarbeiter bzw. Wissensarbeiter von unserem Schreibtisch aus auf das, was wir mit unserer Arbeit bewegen und durch digitale Wege irgendwo erreichen. Dabei ist uns nicht bewusst, dass auch unsere Büroarbeit einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Es ist, als stünde unser Schreibtisch bzw. unser Notebook im Schatten, und damit jenseits dessen, was sich im Fokus der operativen Nachhaltigkeitsziele befindet.

Was können wir tun?

Um nachhaltige Veränderungen in der täglichen Büroarbeit zu erwirken, braucht es, Neugier, etwas zu lernen und die bisherigen Arbeitsweisen zu reflektieren und Mut, Veränderungen anzustossen.

Haben wir Zeit für Nachhaltigkeit in der Daily Office Work?

Vollzeitmitarbeitende leisten durchschnittlich ca. 220 Arbeitstage pro Jahr. Bei ca. 35 Arbeitsjahren kommen wir auf 7'700 Arbeitstage. An jedem Tag bietet sich eine neue Chance, etwas innerhalb der ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu tun. Hier liegt ein ungenutztes Potenzial.

Wo können wir in unserer täglichen Arbeit mehr Nachhaltigkeit einbringen?
Und wie machen wir es?

In der täglichen Arbeit gilt es Bereiche zu identifizieren, in denen man etwas für Wirkungskategorien der Nachhaltigkeit tun kann, wie z. B. für Klimaschutz, Energie oder Ressourcen wie z. B. Luft, Wasser sparen, Müll vermeiden oder reduzieren, in unserem Umfeld etwas für Barrierefreiheit, Inklusion oder soziale Gerechtigkeit tun oder zum «Well-Being» der Mitarbeitenden beitragen.

Ausgehend von der Nachhaltigkeitsstrategie, den operativen Nachhaltigkeitszielen eines Unternehmens sollten Strukturen, Systeme, Prozesse, Ressourcen und auch die gelebte Kultur einbezogen werden. Weiterhin können wir, sei es als Führungskräfte oder Mitarbeitende, im Büro in den Aktionsbereichen unseres Arbeitsplatzes, bei Bürotätigkeiten, im IT-Bereich, bei Mobilität, bei der Zusammenarbeit oder Arbeitsorganisation, bei der Mittagsverpflegung in der Kaffeeküche, Kantine oder Cafeteria oder bei den täglichen Business-Meetings und -Events speziell bei Catering, Reiseorganisation, Übernachtung etc. Möglichkeiten für nachhaltiges Handeln entdecken. Eins ist auch klar: Die Mitarbeitenden der Funktionen bzw. Abteilungen IT, Facility, Einkauf & Beschaffung, Administration, Kommunikation und Marketing müssen in einen solchen Entwicklungsprozess einbezogen werden.

 

Anschliessend können verschiedene Methoden, z. B. Nudges, E-Learnings, Workshops, genutzt werden, um die Aufmerksamkeit für nachhaltiges Handeln in der täglichen Arbeit zu wecken bzw. zu schulen. Dabei werden wir als Führungskräfte und Mitarbeitende gefördert und gefordert, unsere

  • Methodenkompetenz (Fähigkeit, Lösungswege zu effizienten und nachhaltigen Arbeiten) und damit
  • Fachkompetenz (als Fähigkeit, das eigene theoretische und praktische Wissen für nachhaltige Entwicklung fördern),
  • Sozialkompetenz (als Fähigkeit, im Team zusammenzuarbeiten, Kollegen und andere zu mehr Nachhaltigkeit motivieren),
  • Persönlichkeitskompetenz (Reflexions- und Kritikfähigkeit, Zeit und Selbstmanagement, Lernbereitschaft),

im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung zu entwickeln.

Wie können Bereiche nachhaltigen Handelns in der täglichen Büroarbeit erkannt werden?

Die Analyse kann durch die Action-Impact-Matrix (Nachhaltige Entwicklung | SpringerLink) systematisch und strukturiert analysiert werden. Wirkungskategorien werden mit Aktionsbereichen abgeglichen, Zielsetzungen festgelegt und Einzelziele definiert, weiterhin Massnahmen entwickelt, um diese Ziele zu erreichen (turning objectives into issues). Dies kann im Rahmen eines Projekts mit Workshops und einer ausgewählten Anzahl von Mitarbeitenden und einem verantwortlichen Projektteam erfolgen.

Durch die Reflexion der gemeinsamen Arbeit in allen möglichen Bereichen unserer täglichen Arbeit entsteht ein Leitfaden zu einer aufmerksameren Arbeit im Büroalltag. Damit leisten Führungskräfte und Mitarbeitende einen Beitrag in den ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimensionen der Nachhaltigkeit und somit auch zur Agenda 2030 und den 17 SDGs.

Insgesamt könnte ein solcher Prozess zu Folgendem betragen:

Aus der Perspektive des Unternehmens:

  • Einsparung von Ressourcen und Kosten
  • Entwicklung eines positiven Images durch gelebte soziale Verantwortung

mit einem Impact auf Wettbewerbsfaktor Corporate Social Responsibility

  • Bewusstseinsbildung für nachhaltige Entwicklung
  • Multiplikator-Wirkung
  • Auslösen von Innovationen

Aus der Perspektive der Mitarbeitenden:

  • Stärkung der Bewusstseinsbildung für nachhaltige Entwicklung
  • Motivation im Hinblick auf die beruflichen Ziele
  • Effektivität und Effizienz bei der täglichen Arbeit
  • Transfer von Wissen und Verhalten, auch ins private Leben
  • Verbesserung der Teamarbeit durch gemeinsames Handeln

 Transfer ins Leben und in die Gesellschaft überhaupt.

Weiterhin führt ein nachhaltiges Gewahrsein im Büro (sustainable heedfulness at daily office work = SHaDOW) zu Transfer-Effekten in anderen Lebensbereichen und reicht auch in die Bereiche, in denen ein Austausch mit Lieferanten oder Dienstleistern besteht.  

 

Wie sieht`s aus? Was machen Sie mit den verbleibenden Arbeitstagen Ihres Berufslebens?

 

Anmerkung: Heedfulness – kontext- und zielbezogene Aufmerksamkeit. Wir sind uns bewusst, dass allgemein der Begriff Sustainable Awareness oder Sustainability Awareness genutzt wird, um damit die gezielte Aufmerksamkeit gegenüber nachhaltiger Entwicklung hinzuweisen. In deutschsprachigen Kontext hat der Begriff «Awareness» bzw. Achtsamkeit eine bestimmte Konnotation, die sich an buddhistischem Gedankengut orientiert. In der Achtsamkeitspraxis hat sie zuweilen er einen esoterischen Beigeschmack. Und in der Wirtschaft gibt es immer noch viele, die sich vor solchen Themen im Zusammenhang mit Meditation oder esoterischen Fragen scheuen. Achtsamkeit wird oft als "das Herz der buddhistischen Meditation" bezeichnet.

Der Begriff «Heedfulness» wird oft im Kontext von Organisationen verwendet, um die Durchführung von Sicherheitsprüfungen zu prüfen. Er ist spezifischer und zielbezogener oder man verwendet den Begriff, um Aspekte der ethischen Wachsamkeit auszudrücken.[1] Christian Krägeloh erwähnt in diesem Kontext auch den deutschen Ausdruck "Besonnenheit".[2]

Im Gegensatz zu dem Begriff «Mindfulness» (ebenfalls Achtsamkeit) steht «Heedfulness» für eine Aufmerksamkeit mit der Verpflichtung, mich mit emotionaler Selbstregulierung und aktiven Gewahrsein für ein sinnvolles Ziel einzusetzen, welches durch die Agenda 2030 gegeben ist. «Heedfulness» ist kontext- und zielbezogen.[3]

Ich danke Chris Krägeloh, Associate Professor, Department of Psychology, Auckland University of Technology, dass er sich Zeit nahm, mir bei Fragen zu dieser Thematik Auskunft zu geben. Für mich war die Diskussion wertvoll.

[1] Krägeloh, Chris. (2020). Mindfulness research and terminology science. (PDF) Mindfulness research and terminology science (researchgate.net). Abgerufen 08.01.2022

[2] Krägeloh C.U. (2018) Mindfulness, Heedfulness, and Ethics. In: Stanley S., Purser R., Singh N. (eds) Handbook of Ethical Foundations of Mindfulness. Mindfulness in Behavioral Health. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-76538-9_5. Abgerufen 07.01.2022

[3] Heedfulness is defined as an attitude of attentive cautionessness.”. Achtsamkeit ist definiert als eine Haltung der aufmerksamen Vorsicht.

 

Zur Autorin. Elisabeth Brommer-Kern arbeitete nach ihren Studien in Basel und Oldenburg in Deutschland und der Schweiz in den Bereichen Administration, Organisation und Wissensmanagement für globale Teams und ist freiberuflich als Beraterin und Dozentin tätig. Über eine Projektarbeit zum Thema Sustainable Eventmanagement ergab sich der Kontakt zu Prof. Dr Ulrich Holzbaur, Hochschule Aalen, Deutschland. Aus der virtuellen Diskussion heraus entstand die Idee den Quick Guide Nachhaltige Business-Meetings und -Events zu schreiben. Der Springer-Verlag hat das Buch im Januar 2022 veröffentlicht.

Kontakt: ebk@sjpdevelopment.ch / www.sjpdevelopment.ch

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